Im östlichen Mittelmeer, unweit der türkischen Küste liegt Kastellorizo. Es ist das am weitesten vom Festland entfernte Eiland unter dem griechischen Inseln. Zwischen Felsen, Dornenbüschen und Ziegen verbinden Trampelpfade die verschlafene Militärbasis mit einem Kloster und dem pittoresken Hafenstädtchen, das den gleichen Namen trägt wie die Insel. In einem der kleinen alten Häuser, die vor langer Zeit aus Steinen der Insel und den Überresten von Schiffen errichtet wurden, plant Silvia Fiurucci, Mäzenin und Gründerin der Società delle Api einen Ort für Künstler*innen aufzubauen. Aus einem Wettbewerb gehen wir als eines von vier Studios hervor, um Appartments am Ende der Welt zu gestalten.
Um nach Kastellorizo zu gelangen, fliegen wir nach Rhodos und nehmen am nächsten Morgen eine Fähre, die am Abend endlich die kleine Insel anläuft. Obwohl Teil der Europäischen Union, scheint es nicht wesentlich anstrengender zu sein, zum Mond zu fliegen, als in Kastellorizo von Bord zu gehen. Auf der Insel erwarten einen unzählige Ruinen und kaum Infrastruktur. Die Militärbasis verkauft ausgewählte Baumaterialien und Getränke. Wer morgens Elektriker ist, kann schon abends Fischer oder Polizist sein. Benötigt man mehr, als der kleine Einkaufsladen zu bieten hat, lohnt es sich am Heck der Segelyachten zu klopfen, die im Hafen liegen. Alles hier scheint mehrere Funktionen zu haben.
So verdankt auch unser Konzept seinen Namen den griechischen Bestien, die weder das eine noch das andere sind, sondern wilde Mischwesen, Chimären. Jedes Objekt, das wir nach Kastellorizo bringen, übernimmt nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von gegensätzlichen Funktionen. Dabei werden die Objekte nicht von einzelnen Designern geschaffen, sondern durch die kollektiven Dialoge und Konflikte zwischen jenen Individuen geformt, die das und.studio bilden.
In der Mitte des Raumes scheint eine Raumfähre gelandet. Auf großen Teller-Füßen steht ein silbrig schimmernder Körper, der Schreibtisch, Schrank, Stehlampe und Treppe vereint und sicherlich auch über Ionentriebwerke verfügt. Bilder zeigen den LANDER auf den felsigen Gipfeln der Insel, auf anderen baumelt er an einem Hubschrauber der grichischen Marine. Ansonsten ist ungewiss, welche Reisen er hinter sich hat. An der Decke hängt ein Leuchter, zu dem man zum Schlafen hinaufklettern kann. Ein Spiegel lässt sich wegschieben und gibt den Zugang zum Badezimmer frei, das die Meereswelt um die Insel rekonstruiert, nachdem die echte Unterwasserwelt dem Dynamitfischen zum Opfer fiel. Nun lässt es sich zwischen funktionalistischen Korallen und Meeresschnecken in der Blauen Grotte duschen, während man auf dem Balkon in einer roten Wüste landet, die von künstlichen Pflanzen (und einheimischen Tieren) bewohnt wird.
Die Möbel führen einen direkt zur Kernfrage der künstlerischen Produktion: Bin ich auf dieser winzigen Insel, um Urlaub zu machen? Gibt es Arbeit, die erledigt werden muss? Oder verwandle ich mich in eine Mischung aus Urlauber und kreativem Arbeiter? Über dieses süße Dilemma nachdenkend, bahne ich mir einen Weg über den Schreibtisch, um zurück in den Kronleuchter zu klettern, der zum Bett wird, sobald ich das Licht ausschalte.