Arbeitslager

Installation & Ausstellungsarchitektur ― A burnt out case ― Peter Behrbohm und Markus Bühler ― nGbK Berlin 2010

Bis an den Horizont erstreckt sich das Raster aus weiß gepolstertem Leder mit bezogenen kleinen Knöpfen unter einem sommerlichen Abendhimmel. Überall liegen Menschen herum, schlafend oder voller Anspannung arbeitend. Wie kleine Fehler im Raster verteilt, sind private Lebens- und Arbeitsfächer im gepolsterten Boden eingelassen. Einige der unentwegt beschäftigten Menschen hängen über einem der Fächer und wühlen sich durch Akten oder kopulieren. Wieder andere liegen auf riesenhaften Interfaces, an denen sie ohne Unterlass Informationen aufnehmen - verarbeiten - weiterleiten. Ein paar betrunkene Geschäftsleute ziehen irritiert an einer Lachyoga Gruppe vorbei. Hier und da sieht man Handwerker, die ein paar gepolsterte Rasterelemente herausbrechen und eine Kiste einsetzen, wenn Stauraum beantragt wurde. Sie sind die einzigen, bei denen man mit Gewissheit sagen kann, dass sie arbeiten, denn wer weiß, ob es sich bei den Anderen um Architekt*innen oder Verrückte, Künstler*innen, Tagediebe, Prostituierte, Verkäufer*innen, Betrüger oder Anwält*innen handelt?

In unregelmäßigen Abständen unterteilen hohe Vorhänge aus gelblich-transparenten PVC-Streifen die Weite in fassbare Raumsegmente. Die endlose Ebene zergliedert sich in ein mehrdimensionales Geflecht. Ein offenes Netzwerk aus Gemeinschaften und Identitäten zwingt den Menschen seine Privatsphäre aufzugeben. Alles bleibt für Jeden begehbar, wenn man sich erst einmal durch die Vorhänge in eine andere Identität zwängt, wie durch die Häute einer Zwiebel.

Das "Arbeitslager" ist ein Ausschnitt dieser Welt; sozusagen ihr Muster. Sofalandschaft, Großraumbüro und Bodenbelag zugleich. In den Fächern stecken Aktenordner, Fachbücher und Hängeregister, auf dem Polster aalen sich Menschen mit Sektgläsern und blättern sich angeregt durch das Informationsangebot. Zwischen Arbeitswelt und Freizeit besteht keine Differenzierung mehr. Im Urlaub werden Firmenmails, im Büro Freundschaftsanfragen beantwortet. Ein diffuser Zustand zwischen idealer Realität und Kontrollverlust. Die programmierte Selbstaufgabe ist einzig ihrer technischen Realisierbarkeit geschuldet. Sie sind Protagonisten einer undifferenzierbaren Ebene sozialen Daseins; gefangen in einer Momentaufnahme zwischen domestischer Behaglichkeit, zermürbender Selbstdarstellung und Knochenarbeit.

Credits:
Idee, Konzept und Durchführung: Peter Behrbohm & Markus Bühler

"Arbeitslager" war zugleich Teil und räumlicher Rahmen der Ausstellung "a burnt out case" an der nGbK Berlin. Zwischen den PVC Vorhängen wurden die Arbeiten von Ulf Aminde/ Anders Smebye, Franziska Angermann, Gesa Glück, Kaoru Hirano, Henry Kleine, Julia Lazarus, Thomas Mader, Karin Michalski, Sabrina Schieke, Cathleen Schuster/ Marcel Dickhage und Linda Weiss gezeigt. Die Ausstellung wude kuratiert von der nGbK Projektgruppe: Andrea Hense, Annika Niemann, Nadin Reschke, Sabine Richter und Karen Weinert.