Geführt von einer künstlichen Spürhündin, folgen wir den Spuren von Operation Columbia, einem zehn Meilen langen Autokorso aus grau lackierten Fahrzeugen, der 1947 von Los Angeles nach Vancouver und zurück fuhr, um die Ideen von Technocracy Inc. zu verbreiten.
Die Bewegung war im Begriff, den nordamerikanischen Kontinent in eine Proto-Internet-Gesellschaft zu verwandeln, die auf radikalem Wachstumsrückgang und der gleichmäßigen Verteilung von Energie unter allen “energieverbrauchenden Systemen” basieren sollte.
Technologen sollten Politiker ersetzen und eine digitale Energiewährung an die Stelle des Geldes treten. Wohnen, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr - der gesamte nordamerikanische Kontinent sollte auf seine Energieeffizienz hin untersucht und bei Bedarf neu errichtet werden. Alles - Land, Produktionsmittel, Wohnungen und Fahrzeuge - sollten geshared statt besessen werden. Trotz einer halben Million Mitgliedern schwanden die Anhänger, denn die Technokraten lehnten eine Revolution ebenso ab wie eine Kandidatur als politische Partei. 1947 unternahmen sie einen letzten Versuch, ihre öko-technoide Utopie zu propagieren: Als “Operation Columbia” fuhren die Mitglieder von Los Angeles nach Vancouver und hielten in jeder Stadt, um Vorträge zu halten, Publikationen zu verteilen oder ihre Botschaften entlang des Weges aus Lautsprechern zu posaunen.
Die Reise auf den Spuren von Operation Columbia führt uns zu Rechenzentren, Kabelschiffen und die Firmensitze aller großen Internetunternehmen. Wir verstricken uns in den Infrastrukturen des World Wide Web, begegnen Pionieren, Natives und Nutzern und landen schließlich im staubigen Archiv von Technocracy Inc. und versuchen, alles, was wir tragen können, vor der drohenden Auflösung zu retten.
Während die Bewegung selbst in Vergessenheit geriet, entstand in dem von den Technokraten umkreisten Landstrich schließlich doch noch ein Internet. Heute ist der Enkel ihres kanadischen Direktors, ein reichster Mann der Welt, eifrig dabei, ein eigenes Technate aufzubauen.
Bilder, Sounds, Artefakte und Erlebnisse der Expedition präsentieren sich als stetig wachsendes Archiv, das aus einer Installation, einer interaktiven Website und einer Faltkarte besteht.
Die Installation selbst wird von wandfüllenden Projektionen eingefasst, die Auszüge der Expedition zeigen. Sie umgeben ein großes Serverbodensystem aus verzinktem Stahlrost, das sonst in Datenzentren zur Anwendung kommt. Darauf liegen nummeriert Artefakte, Teile der Expeditionsausrüstung und Netscape. Die künstliche Spurhündin, die uns zu den Daten führte, ruht jetzt auf dem Tisch und liest aus ihren Expeditionsaufzeichnungen, während eine sphärische Soundscape die Ideen der Technokraten mit dem Rauschen der Server, dem Fahrtwind unseres Expeditionsfahrzeugs und anderen Geräuschen zusammenbringt.
Auf einem Kontrollmonitor ist der Imagefilm Operation Columbia von 1947 im original zu sehen und ein digital-analoges Terminal ermöglicht es, die Karte wie in einem Arcade Adventure Game zu erkunden und mehr Informationen zu den unzähligen nummerierten Artefakten zu erhalten.
Enter the Technate: www.thetechnate.net
Credits:
Idee, Konzept und Durchführung: Peter Behrbohm & Markus Bühler
Mit: Bill Adams, Jim Carruther, Marc Graham, Paul Hajnes, Kinnard Hockenhull, Arlene Landwehr, Chip Lord, Michael Round, Curtis Schreier, Aurora Tang and George Wright
Website: Liebermann Kiepe Reddemann
Sounds: burgund t. brandt
Voice: Lizzy Davis
Kameraassistenz: Nikolas von Schwabe
Anzüge: Johanna Frahm
Hundeanzug: Carola Behrbohm
Installationsansichten Berlin: Galya Kovalyova
Installationsansichten Kassel: Nicolas Wefers
Das Projekt wurde ermöglicht durch das MAK Schindler Stipendium Los Angeles, das Institut für Auslandsbeziehungen und das Initial2 Stipendium der Akademie der Künste Berlin. Es wurde am MAK Center for Art and Architecture ausgestellt (2019), am Eichenmüllerhaus Lemgo (2019), dem Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin (2019), der Panke.Gallery (2023) sowie der Ausstellung "Monitoring - this image will become important later" als Teil des Kasseler DOKFEST (2023). Dennoch ist noch immer nur ein Bruchteil des Materials "gehoben" und wir sind sehr daran interessiert, das Projekt fortzuführen.